Ausgabe 1

Internetzeitschrift des Netzwerk-Selbsthilfe-Soziale Phobie und des VSSP

Hinweis: Diese Infomedium Ausgabe 1 entstand im Jahr 2008. Zwischenzeitlich hat sich der Name des Verbandes von VSSPS e.V. zu VSSP e.V. geändert. In diesem Beitrag verwendete Namen, Links und Email-Adressen können sich inzwischen verändert haben.
 


Inhalt von Ausgabe 1

  • I nfomedium Soziale Phobie
  • Begriffs- Verwirrungen "Sozial...Phobie"
  • Gruppen- Thema: Regeln in der Gruppe
  • Ergebnisse des Fragebogens des Netzwerks, Teil 1: körperliche Bewegung/ Sport und SP
  • Selbsthilfe- Initiativen stellen sich vor: Intakt e.V
  •  

 

 


 


 Infomedium Soziale Phobie

 Dies ist die erste Ausgabe unseres Infomediums. Wir planen mehrere Ausgaben pro Jahr, für
 jeden kostenlos im Internet zu lesen.

 Im ISP haben verschiedene Aspekte rund um das Thema Soziale Phobie Platz:
 

  • Wir möchten in Interviews Selbsthilfegruppen/ -initiativen aus dem Bereich Sozialer Ängste vorstellen.
  • Durch Diskussionsbeiträge z.B. zur Selbsthilfegruppen-Struktur und -Organisation wollen wir Denkanstöße liefern zu gruppenrelevanten Themen.
  • Weiterhin möchten wir auch wissenschaftliche Arbeiten, ausgeführt von Sozialphobie-Betroffenen, veröffentlichen.
     

 In der ehrenamtlich tätigen Redaktion des Infomedium-Soziale Phobie sind Johannes-Peter 
 Wolters und Marita Krämer, beide Mitglieder des Selbsthilfekreises „Leben mit sozialen 
 Ängsten, Paderborn“ und des Netzwerk-Selbsthilfe-Soziale Phobie, das eine der
 unterstützenden Initiativen des VSSPS ist.

 Wir sind an Rückmeldungen und Ideen zur Mitarbeit sehr interessiert.
 Kontakt: info@vssps.de
 

 


 


Die große Vielfalt der Begriffe ums "Soziale Fürchten"

 

Begriffe
 

 

Jedem, der schon seit einigen Jahren im Internet oder der Literatur Beiträge zum Thema des "Sozialen Fürchtens" liest, wird die Vielzahl der verwendeten Begriffe aufgefallen sein.


An unserem jährlichen Info-Stand der Paderborner Selbsthilfegruppe erfahren wir regelmäßig, dass in der Öffentlichkeit ein echtes Rätselraten beginnt und keine klare Vorstellung vorhanden ist, was denn das Soziale an unseren Ängsten bedeuten könnte, ganz abgesehen von den Spekulationen über das Wort "Phobie" .

Aber auch wenn Gruppensuchende um Teilnahme an unserem Kreis nachfragen, erwähnen sie oft vorher gestellte Diagnosen von der Kontaktstörung über die Phobie bis zur Persönlichkeitsstörung. Es macht daher Sinn, sich zumindest übersichtsweise mit dem Begriffswirrwar ein wenig zu befassen.
 

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Prof. Stangier(1) erwähnt als erste Begriffsquelle den Psychiater Janet, der 1903 als erster den Begriff "phobie de situations sociales" also "Phobie in sozialen Situationen" verwendet hat.
In den nachfolgenden Jahrzehnten fand der Begriff keine Verwendung; stattdessen finden sich "Anthrophobie" (Menschenscheue), "Kontaktneurose" oder "Soziale Neurose".
1980 findet sich der Begriff "Soziale Phobie" erstmals als eigenständiges Krankheitsbild in einem amerikanischen Verzeichnis von Krankheitsbildern.
Die verkürzte Schreibform "Sozialphobie" scheint etwa ab 1990 für ein Jahrzehnt häufig Verwendung gefunden zu haben. Es findet sich seltener auch der Begriff "Sozialangst".
 

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Genau genommen beschreibt eine Phobie eine Furcht vor einem speziellen Objekt (z.B. Spinne) oder einer umgrenzten Situation, im Gegensatz zu dem Begriff der (diffus - unkonkreten) Angst. EsBegriffeentstanden nun Definitionsprobleme bei Einbeziehung der Generalisierungstendenz Sozialer Phobie(n), eben der leider häufigen Ausweitung der angstbesetzten Situationen auf immer mehr Situationen und Lebensbereiche, die sich letztlich nicht mehr eng eingrenzen lassen.
 

 

 

 

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Für diese generalisierten Formen finden sich daher in den letzten Jahren auch die Begriffe "Soziale Angst" und seit einigen Jahren auch den wissenschaftlich vielleicht zutreffendsten Begriff der "Sozialen Angststörung".
Von generalisierten Formen der Sozialen Phobie ist die "vermeidend selbstunsichere Persönlichkeitsstörung" [oder ängstlich-vermeidende] nicht oder kaum in der Praxis abzugrenzen.
 

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Auf den Homepages verschiedener Selbsthilfegruppen finden sich unter-schiedlich ausführliche Erklärungs- und Erläuterungsversuche dessen, worum es denn bei der Sozialen Phobie geht. Der Begriff Schüchternheit taucht auf den meisten Seiten auf - hingegen ganz selten Menschenscheue, Kontaktangst oder Beziehungsvermeidung.


Mit einigem Bemühen lassen sich Unterscheidungskriterien finden zwischen Sozialer Angststörung und Schüchternheit, die ein Wesens- oder Persönlichkeits-merkmal darstellt. Es gibt Untersuchungen, nach denen sich bis zu 70% der Sozialphobie-Betroffenen - meist schon seit Kindertagen - als schüchtern und introvertiert erleben und bezeichnen. Eine kleinere Gruppe der Betroffenen aber entspricht einem extrovertierten Persönlichkeitstyp. Die angstbesetzten Lebensbereiche kontrastieren dann zum übrigen Verhalten u.U. besonders stark.
An anderer Stelle findet sich in der Literatur die Tendenz, Schüchternheit im Wesentlichen als einen leichteren Ausprägungsgrad zu verstehen, noch außerhalb eines Diagnosebereichs "von Krankheitswert".


Ich kann mir nicht vorstellen, dass es über den klinischen Bereich hinaus z.B. in einer Selbsthilfegruppe sinnvoll sein könnte, die Teilnehmer nach Schüchternen oder von Sozialer Phobie Betroffenen zu unterscheiden. Vielleicht aber gibt es dennoch einen empfindungsmäßigen Unterschied innerhalb einer Gruppe zwischen den introvertiert- schüchternen Gruppenteilnehmern mit sozialphobischer Belastung und den anderen, die sich außerhalb ihrer durch Soziale Phobie belasteten Lebensbereiche tendenziell kontaktoffener verhalten können.



Ansonsten denke ich, dass diese gesamte begriffliche Vielfalt auch zeigt, dass das Problemfeld noch sehr frisch und zur Zeit auch zunehmend intensiver in der wissenschaftlichen und therapeutischen Diskussion ist. Unsere Selbsthilfegruppe in Paderborn hat sich dafür entschieden, bis auf weiteres beim Namen "Leben mit Sozialen Ängsten" zu bleiben, einfach weil dies vielleicht neben "ausgeprägter Schüchternheit" in der Öffentlichkeit am ehesten verständlich sein mag.

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(1) Ulrich Stangier u.a "Soziale Phobie" in Fortschritte der Psychotherapie (28) Horgrefe 2007

(JPW)

 


 


Selbsthilfegruppen-Thema:
Regeln in der Gruppe

Gruppenregeln

 

 

 

 

 
 

Im Forum des Netzwerk- Selbsthilfe- Soziale Phobie wurde das Thema Gruppenregeln mehrfach aufgegriffen und recht kontrovers diskutiert. Die Meinungen sind so unterschiedlich, wie die Strukturen und Bedürfnisse der einzelnen Gruppen bzw. die Wünsche der Menschen in den Gruppen nach einer Unterstützung durch Regeln unterschiedlich sind. Im Folgenden möchte ich versuchen, das Für und Wider von Gruppenregeln gegenüberzustellen, ohne mich für Abwägungen und irgendwelche Mittelwege auszusprechen. Es ist jedem überlassen, sich eine eigene Meinung zu bilden zu dem, was sich richtig anfühlt und erscheint im Kontext der eigenen Gruppe. Zunächst kann beim Thema Gruppenregeln unterschieden werden zwischen organisatorischen Regeln (z.B. Uhrzeit des Treffens, Gruppendauer, An- und Abmeldungen usw.), die den äußeren Rahmen regeln, und Gesprächsregeln/ inhaltlichen Regeln, die sich auf das Miteinander während der Gruppensitzung beziehen und Einfluss nehmen auf die Atmosphäre in der Gruppe. Um diese Gesprächsregeln geht es hier nun vor allem.


In der Forums- Diskussion fand sich sowohl der Wunsch nach festen Regelstrukturen als auch das Bedürfnis, möglichst wenig fest zu legen bzw. Regeln möglichst nur auf die äußeren Rahmenbedingungen zu begrenzen, damit genügend innerer Raum sich auftut für Spontanes.
 

  • Was spricht generell für oder gegen Gruppenregeln?


Pro: Regeln geben Halt. Dies kann v.a. in der Anfangsphase einer Sozialphobie-Gruppe, aber ebenso im weiteren Verlauf wertvoll sein, wo aufgrund der bestehenden Kontakt-Unsicherheit zumindest etwas Äußeres da ist, woran man sich "festhalten" kann und woran sich alle orientieren können.

Contra: Menschen mit Ängsten leiden häufig auch unter einer inneren Enge, sich wiederholenden Verhaltensmustern und Absicherungsstrukturen. Regeln erzeugen zwar Halt, aber auch gleichzeitig einen inneren mehr oder minder großen Widerstand gegen das einengende Festgelegt-Werden. In jedem Falle können engmaschige Regelwerke die Öffnung zu mehr Spontaneität, Kreativität und auch Eigenverantwortlichkeit behindern.


Ich finde, dies kann man recht gut an der Regel "Es redet immer nur einer" darstellen. Wenn diese Regel einigermaßen konsequent gehandhabt wird, wird dem einzelnen ein abgesicherter Gesprächsraum gegeben, gleichzeitig verhindert die Regel aber spontane lebendige Phasen, wo mehrere Leute durcheinander reden, sich gegenseitig auch mal ins Wort fallen, ihrem Impuls und der eigenen Emotion folgen.
 

  • Wer bestimmt die Gruppenregeln: sollen die Gruppen gründer hier langfristig den bestimmenden Einfluss haben?


Pro: Die einmal festgelegten Regeln haben eine Gruppe über Jahre geprägt und geben ihr auch ein Identitätsgefühl. Möglicherweise wurden die Regeln auch im Teilnehmerkreis gemeinsam beschlossen. Sie spiegeln also die Bedürfnisse der Teilnehmer an ein gutes Miteinander wieder. Wenn die einmal aufgestellten Regeln Wesentliches zu einer guten Struktur beigetragen haben, könnte ein Manipulieren an ihnen für Verunsicherung sorgen und zu einer Störung des Gruppenkonsenses und der Kontinuität führen.

Contra: Im Laufe der Zeit sollte die Hauptverantwortung für die Form- und Strukturgebung schrittweise nicht mehr bei dem oder den Gründer/n liegen, sondern auf die Gruppengemeinschaft übergegangen sein, die als Ganzes je nach Erfahrung und Engagement Verantwortung für die Gruppe übernimmt. Dann entwickelt sich entsprechend der Gruppendynamik durchaus auch etwas anderes, als in den ursprünglich festgelegten Regeln und Gründerkonzepten festgeschrieben war. Dieser Prozess ist meist wünschenswert, da sich die Mitglieder ja auch durch die Gruppenarbeit verändern und weiterentwickeln wollen, was sich auch in den äußeren Strukturen niederschlagen können sollte.


Nun ein Diskussionsbeispiel mit einer speziellen Regel:
 

  • Die Regel "Störungen haben Vorrang"


Mit "Störungen" sind (meist belastende) Gedanken, Impulse und Gefühle gemeint, die bei einem einzelnen Gesprächsteilnehmer auftreten während einer Diskussion, durch die dieser aus dem Themenfluss heraus driftet und die ihn zunächst einmal nicht mehr offen sein lassen für das Geschehen in der Gruppe.

Pro: Wird nun diesen individuellen "Störungen" Vorrang vor dem allgemeinen Diskussions- und Themenfluss eingeräumt, hat der Einzelne die Sicherheit, dass seine inneren Themen in der Gruppe da sein dürfen, ganz wichtig genommen werden und dass er eben auch "stören" kann- beinahe sollte, anstatt sich "zusammenzureißen". Alles, was in den Vordergrund drängt, ist von Wert, beachtet zu werden. Es kann dann geschaut werden, was dahinter steht und wie das Gespräch so gestaltet werden kann, dass alle wieder in einem guten Fluss sind. Es wird mit dem gearbeitet in der Gruppe, was gerade da ist, in diesem Sinne gibt es eigentlich gar keine "Störungen".

Contra: Im Sinne der Gruppendynamik ist es besser, hier keine feste Regel aufzustellen, es also rein dem Augenblick und der Momententscheidung der Mitglieder zu überlassen, ob sie weiterhin dem Themenfluss oder aber der geäußerten "Störung" folgen wollen. Wenn Störungen per se Vorrang haben, führt dies dazu, dass sich alle zu sehr auf diese konzentrieren und Störungen dadurch in gewisser Weise sogar bestimmend einwirken auf die Gruppe. Es geht darum, dass der Energiefluss in der Gesprächsrunde nicht jedesmal unterbrochen wird dadurch, dass ein Mitglied z.B. gerade Angst empfindet. Denn dies würde die Aufmerksamkeit und die Gruppenatmosphäre deutlich "problemkonzentriert" und nicht "lösungskonzentriert" ausrichten. Der Angst-Betroffene erlebt ja in sich selbst sehr häufig diese Angst-Attacken und Angst-Anflutungen als Unterbrechung eines Wohlgefühls oder einer Konzentration auf einen äußeren Ablauf. Die Störung fordert Selbstbetrachtung und Angst-Fokussierung. Letztere aber ist eines der tragenden problematischen und leidvollen Muster der Sozialen Phobie. Die Gruppe sollte zumindest sich nicht auch noch darauf vorrangig festlegen, dieses problematische Muster abzubilden.


Wie auch im Forum mag auch hier die Auseinandersetzung mit dem Thema Gruppenregeln ohne den Versuch eines Resümees bewusst offenbleiben.


(MK)

 


 


Ergebnisse des Fragebogens "Soziale Phobie" des Netzwerks, Teil 1: körperliche Bewegung/ Sport und SP

Auszug (1) aus dem Artikel "Ergebnisse eines Fragebogens zu Sozialer Phobie- 200 Fragen und Antworten von Betroffenen für Betroffene".

Der vollständige Artikel ist erschienen in der "Deutschen Angst- Zeitschrift" (DAZ)Heft 42 (August 08).

Seit November 2005 wird auf den Internet- Seiten des Netzwerk - Selbsthilfe - Soziale Phobie ein umfangreicher Frage-bogen zum Bereich Sozialer Phobie / Soziale Angststörung angeboten. Erstellt wurde er von Betroffenen für Betroffene, was der Eigenhilfe-Konzeption des Netzwerks entspricht. Es geht uns darum, Denkanstöße zu liefern und Motivation zu weiterführender Diskussion und Untersuchung zu wecken. Besonders wichtig ist uns die Berücksichtigung der speziellen Betroffenen-Sichtweise auch in den Fragestellungen, denn nur Betroffene verfügen über diese spezielle Innensicht und einen eigenen Zugang zum Problembereich.


Ausschnitt aus dem Fragebogen:

 

Fragebogen

 

600 Teilnehmer (309 Frauen und 291 Männer) füllten von November 2005 bis Dezember 2007 den Fragebogen aus. Alle geben Symptome Sozialer Phobie an, 197 eine entsprechende Diagnosestellung durch einen Therapeuten. Der Altersdurchschnitt liegt bei 28 Jahren (von 14 bis 59). Es ist anzunehmen, dass die Mehrheit "zufällig" auf das Angebot dieses Fragebogens gestoßen ist, auf einer Internet-Suche nach Informationen zum Thema Soziale Phobie allgemein oder zum Bereich Selbsthilfegruppen.


Der Fragebogen gliedert sich in verschiedene Themenbereiche, z.B. Symptome, Situation in der Herkunftsfamilie, Beziehungen, Therapien, Medikamente, körperliche Bewegung u.a.


Wir möchten hier auszugsweise einige Ergebnisse darstellen und beginnen mit dem Bereich körperliche Bewegung/ Sport. Hier ließen sich interessanterweise (statistisch) zwei Gruppen bilden, die sich in ihren sonstigen Ergebnissen der Befragung relativ stark voneinander unterschieden: diejenigen mit guter bis sehr guter Sportnote (1-2) und diejenigen mit schlechter Sportnote (4-6).


Die Schulsportnote: gut oder schlecht?

Die Durchschnittsnote der Fragebogenteilnehmer im Schulfach Sport entspricht der der Gesamtbevölkerung - soweit vergleichbar -, ebenso die Art und Intensität jetziger sportlicher Betätigung.

Mit guter Schulsportnote: Die Ängste in der Öffentlichkeit sind geringer ausgeprägt, die Diagnose Soziale Phobie wurde seltener seitens eines Therapeuten gestellt (32 % statt 39 %). Die körperliche Ausstrahlung wird im Vergleich deutlich häufiger als eine positive per-sönliche Eigenschaft hervorgehoben. Des weiteren: Nur in dieser Gruppe erscheint eine Mannschafts-Sportart attraktiv (Fußball). Sportliche Betätigung wird als "angstlösend" und "entlastend" empfunden. Sowohl die Pubertät als auch Sexualität werden eindeutig angenehmer und als weniger problembelastet bewertet. Auffällig auch: Männer mit guten Sportnoten geben 30 % mehr Partnerschaften an (bei den Frauen kein Unterschied).

Betrachtet man nun die Gruppe mit schlechter Schulsportnote, so haben im Vergleich doppelt so viele Männer Probleme mit öffentlichen Toiletten. Die Diagnose Soziale Phobie wurde zu 39 % seitens eines Therapeuten gestellt (statt 32 %). Sport, Pubertät und sexuelle Erfahrungen werden als sichtlich belasteter beurteilt. Es sehen sich doppelt so viele Teilnehmer/innen durch Essstörungen erheblich eingeschränkt. Nur 23 % erleben sich in ihrem Körper als "natürlich" (Vergleichsgruppe 37 %). Nahezu doppelt so viele schätzen sich als "unattraktiv" ein. Als Ursachen der Sozialen Phobie nennen diese Betroffenen häufiger, sie seien "zu sensibel" und "zu leistungsorientiert". Im Gegensatz hierzu orten Gut-Benotete die Ursache tendenziell mehr in einer "Traumatisierung".

Was ergibt sich hieraus?

Selbstverständlich ist nicht ableitbar, dass die Schulsportnote ursächlich (schuld) ist an allen weiteren Entwicklungs- und Ausprägungsschritten Sozialer Angst. Es werden aber Verbindungen deutlich zwischen einem körperlichen Leistungsgeschehen (Sport) oder dessen Bewertung aus Schülerposition, dem grundsätzlichen körperlichen Wohlbefinden und einem inneren Bewusstsein von Attraktivität, sowie Freude an Sport und Bewegung. Dieses Bewusstsein wirkt sich (später) sichtbar aus auf die Bereiche Sexualität, Geschlechtsidentität und - ganz wichtig - wohl auch auf die Fähigkeit, Bindungen und Partnerschaften einzugehen (insbesondere bei Männern). Die Selbsteinschätzung des eigenen Körpers als positiv - wohlfühlend - attraktiv (zumindest nicht als unattraktiv) korreliert hochgradig mit einer gehobenen Schulsportnote. Das "OK" zum eigenen Körper und eine gute Sportnote können sich durchaus gegenseitig bedingen. Dieser positive "Körper-Faktor" scheint sowohl für die pubertäre Entwicklung als auch für die Bereiche Sexualität und Partnerschaft sehr prägend zu sein im Problemfeld Sozialer Ängstlichkeit.

Häufig schambesetzt ist das Thema "Körper" offenbar ein doch sehr wichtiges im Zusammenhang der Auseinandersetzung mit Sozialer Phobie. Ich bin überzeugt, dass es als Gesprächspunkt in der Selbsthilfegruppe, achtsam und vertrauensvoll angefasst, Gutes bewirken kann.


(JPW, MK)

 


 

 

Selbsthilfe- Initiativen stellen sich vor:
 

 

Intakt

 


Was verbindest du mit dem Namen eurer Initiative?

Julian K.: Der Name Intakt stammt von der Peiner Initiative, insofern kann Uwe ihn besser erklären. Die Initiative soll drei Ziele verfolgen: Hilfe für Einzelne, Hilfe für Selbsthilfegruppen, Öffentlichkeitsarbeit.


Wie und wann entstand der Gründungsimpuls, welche Probleme waren in der Anfangszeit zu meistern?

Julian K.: Der Impuls entstand aus der Zusammenarbeit von 5 Gruppen, Auslöser für die Vereinsgründung war, das Ganze auf eine organisierte Ebene zu stellen und zu professionalisieren. Ich selbst wollte (und will) mir damit langfristig einen Arbeitsplatz schaffen - die Vereinsgründung war 5 Wochen nach meiner letzten Entlassung. Das Problem bei Sozialen Ängsten ist die Rückzugstendenz der Betroffenen, sie brauchen lange zum Auftauen (ich ja auch). Daher ist jeder Schritt nach vorn für und mit den Leuten doppelt mühsam.


Was macht dir an deiner Arbeit für den Intakt e.V. besondere Freude, was fordert eher?

Julian K.: Ich persönlich habe mein Thema gefunden, wo ich gut bin, wo ich etwas kann, und wo ich sehe: Es dauert, aber es kommt was. Die große Anforderung ist eben dieser "verdammt lange Atem", aber den hab ich.


Worin besteht der Schwerpunkt der Aktivitäten und Aufgaben des Intakt?

Julian K.:
- Hilfe für Einzelne: Vorgespräche/-Beratung vor Gruppenbeitritt, Ansprechpartner sein, Organisation von Selbstbewutseinskursen etc.
- Hilfe für Gruppen: Anschub von Gruppengründungen, Gruppen- Krisenbeglei-tung, Vernetzung mit anderen Gruppen (Arbeitskreis und Freizeittreffen, wobei letztere vom Verein aber nur vermittelt werden)
- Öffentlichkeitsarbeit: Infoveranstaltungen, Zeitungskontakte, Vorstellung des Problems stellvertretend für Betroffene, Buchprojekt.


Welche Gruppen haben sich im Zusammenhang mit Intakt gebildet?

Julian K.:
Bis jetzt sind durch Vereinsinitiative sieben Gruppen entstanden. Sie werden solange begleitet, bis sie stabil und damit selbständig werden.


Wie sieht der Austausch zwischen dem Intakt und den Gruppen aus?

Julian K.:
Zu den meisten Gruppen fahre ich regelmäßig, je nach deren Stabilität alle zwei Wochen bis alle zwei Monate. Doch die meisten und besten Kontakte zwischen den Gruppen entstehen durch die Arbeits- und Freizeittreffen des Vereins - oder der Gruppen selbst. Die Termine werden im Vereinsrundbrief verffentlicht.


Wie findet die Meinungsbildung innerhalb der Engagierten oder Träger des Intakt statt?

Julian K.:
Ein eingetragener und gemeinnütziger Verein muß demokratisch organisiert sein. Das heisst, größere Entscheidungen werden abgestimmt. Aktionen, die ich allein machen kann und die für den Verein organisatorisch und finanziell machbar sind - z.B. eine Gruppengründungsinitiative - lege ich auch allein fest.


Gibt es interessante Planungen und Perspektiven für die Zukunft?

Julian K.:
Wir werden natürlich weitere Gruppen anschieben, weitere Seminare gemeinsam mit Volkshochschulen organisieren, weitere Freizeitaktionen vermitteln, weil auch die einen therapeutischen Wert haben. Eine andere Idee sind Seminare in Schulen, um Schüchterne möglichst früh anzusprechen. Mal sehen...


Gewünschte Kontakthinweise zum Intakt?

Julian K.:
Wir freuen uns auf Kontakt zu Gleichgesinnten, besonders dann, wenn die Leute dabei erfolgreich ihre Hemmungen berwinden. Unsere Adressen stehen auf unserer Webseite.

Julian
www.schuechterne.org

 

 


 

Liebe Leser,

wir hoffen, euch hat das Infomedium gefallen und den ein oder anderen Anstoß gegeben.

Wir freuen uns, wenn ihr uns durch eine Mitgliedschaft unterstützt. Einen Mitgliedsbeitrag erheben wir nicht. Infos zur Mitgliedschaft im VSSPS findet ihr unter http://www.vssps.de/mitgliedschaft.

  

 



Redaktion: J. Peter Wolters (JPW)
               Marita Krämer (MK)

Wir freuen uns über Rückmeldungen, Kritik, Verbesserungs- und Themenvorschläge zum Infomedium.

Kontakt:
 


InfomediumSoziale Phobie (ISP) Ausgabe 1, Juli 2008
© VSSPS
 

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